zum aktuellen Viadrina-Logbuch

„Arbeits- und Sozialpolitik ist kein zahnloser Tiger, braucht aber dringend einen Zahnarzt.“

Dieser These konnte auch Hubertus Heil nicht ernsthaft widersprechen. Im Gegenteil, der Bundesminister für Arbeit und Soziales fügte schmunzelnd hinzu: „... oder zumindest eine Zahnbürste.“ So geschehen am Montag, dem 29. Oktober, bei einem Bürgeridalog zum Thema „Arbeits- und Sozialpolitik der EU – ein zahnloser Tiger?“ im Logensaal der Viadrina. Gemeinsam mit Viadrina-Arbeitsrechtsexpertin Prof. Dr. Eva Kocher stellte sich der Bundespolitiker den Fragen des Publikums.

Nach und nach konnten Interessierte auf freien Stühlen auf dem Podium Platz nehmen und ihre Fragen auf Augenhöhe stellen.

Darunter auch Dr. Kamila Schöll-Mazurek, die am Zentrum für interdisziplinäre Polenstudien (ZIP) zum Thema „Zwischen Integrations- und Poloniapolitik. Polnische Neumigranten in Zeiten der Transnationalisierung” forscht. Als Mitglied des Vorstandes beim Polnischen Sozialrat brachte sie gleich mehrere Themen mit auf das Podium, die vor allem ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland betreffen: Scheinselbstständigkeit, Schwarzarbeit im Pflegebereich, Minijobs und fehlende Unterstützung von Gewerkschaften für Arbeitsmigrantinnen und -migranten. Zugleich räumte sie ein: „Es gibt Missstände. Aber dennoch ist die Arbeits- und Sozialpolitik kein zahnloser Tiger, braucht aber dringend einen Zahnarzt.“

Fotos: Heide Fest

Auch das bedingungslose Grundeinkommen, die Einführung einer europäischen Arbeitslosen- und Sozialversicherung, europaweite Standards guter Arbeit, wie Mindestlohn und europäische Arbeitslosenversicherung wurden andiskutiert.

Dass zahlreiche Aspekte der Arbeits- und Sozialpolitik nicht von oben entschieden werden, sondern unbedingt zivilgesellschaftliches Engagement, etwa von Gewerkschaften in Lohnverhandlungen, benötigen, unterstrich Prof. Dr. Eva Kocher, die immer wieder das Diskutierte analytisch zu sortieren suchte: „Wenn wir vom Grundeinkommen sprechen, müssen wir erst einmal klären, was genau erreicht werden soll, um die passenden rechtlichen Maßnahmen wählen zu können.“, so die Arbeitsrechtsexpertin.

Bemerkenswert: An keiner Stelle unternahm der Bundesminister den Versuch, die Sozialpolitik der EU oder des Bundes schönzureden. „Es ist klar, dass wir die soziale Dimension von Europa in den letzten Jahren vernachlässigt haben.“, so Heil bereits in seinem Eingangsstatement.

In den knappen 100 Minuten konnte das weite Feld der Arbeits- und Sozialpolitik nur exemplarisch angerissen werden, der Dialog blieb wenig zugespitzt.

Das räumte auch der Bundesminister ein und versprach: „Allein zum bedingungslosen Grundeinkommen könnte man eine eigene abendfüllende Veranstaltung machen. Ich komme dazu gern nächstes Jahr noch einmal an die Viadrina.“ – Wenn dann kein Wahlkampf ist, nehmen wir Sie beim Wort! (MG/AL)

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