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„Illusionslose Beobachter der Gegenwart“

Prof. Dr. Gangolf Hübinger stellte am 5. Juli seine Monographie „Engagierte Beobachter der Moderne. Von Max Weber bis Ralf Dahrendorf“ vor. Der emeritierte Historiker setzt sich darin mit führenden Denkern des 20. Jahrhunderts auseinander, die das Verhältnis von Geschichte und Politik kritisch beleuchtet haben.

Das Buch bietet einen Querschnitt der Themen, zu denen der Historiker in 20 Jahren an der Europa-Universität geforscht hat, unter anderem die Entstehung der Sozialwissenschaften. „Mich hat das Spannungsfeld zwischen den wissenschaftlichen Analysen und dem politischem Handeln der Beobachter gereizt“, beschreibt Hübinger seine Motivation für das Buchprojekt.  Die sogenannten „engagierten Beobachter“ sind für den Viadrina-Historiker Intellektuelle, die illusionslos die Gegenwart observieren und einordnen. Rolf Dahrendorf, dem Hübinger ein Kapitel gewidmet hat, gilt für ihn als Referenzpunkt. Der Soziologe habe sich stets in öffentliche Debatten eingebracht und diese durch seine Analysen bereichert. So begrüßte Dahrendorf etwa die deutsche Wiedervereinigung als Wiederbeginn der Geschichte. Ganz anders bewertete der ebenfalls porträtierte Philosoph Jürgen Habermas die deutsche Wiedervereinigung: Er sah im „deutschen D-Mark-Imperialismus“ die Gefahr eines aufkeimenden Nationalismus.

Mit Blick auf den Anfang des 20. Jahrhunderts erläutert der Geschichtswissenschaftler, wie der Soziologe Max Weber und der Kulturphilosoph Ernst Troeltsch soziale Ungleichheit und die politische Neuordnung Deutschlands und Europas nach dem Ersten Weltkrieg thematisierten.

Die Monographie endet mit einer kritischen Betrachtung der gesellschaftlichen Rolle von Historikerinnen und Historikern. Wie es der jüngst verstorbene US-amerikanische Geschichtswissenschaftler Fritz Stern ausdrückte, müssten sie bewusst in zwei Welten leben, in der Gegenwart und der Vergangenheit. „Als intellektueller Fremdenführer konfrontiert er [der Historiker, Anm. d. Red.] seine Gegenwart mit der Fremderfahrung der Vergangenheit und beweist einen Spürsinn für relevante Perspektiven. (...) Als Lotse des Umschreibens der Geschichte wahrt er eine kritische Distanz zu den Klippen der Geschichtspolitik und der Moralisierung wie zu den seichten Gewässern reiner Eventkultur“, so Hübinger, der bis zum Wintersemester 2015/2016 die Professur für Vergleichende Kulturgeschichte der Neuzeit inne hatte. (LW)

 

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