30 x Viadrina & ich: „Mein Weg zum Studium war Deutschland“

Für die Reihe „30 x Viadrina & ich“ beschreibt Evan Bermel, der im zweiten Semester Politik und Recht studiert, seinen langen und mitunter beschwerlichen Weg aus dem kalifornischen San Diego an die Viadrina. Er beweist: pendeln und engagierter Einsatz auf dem Campus schließen einander nicht aus. Anlässlich von 30 Jahren Europa-Universität erzählen 30 Menschen – vom Erstsemester bis zur emeritierten Professorin – welche Rolle die Viadrina in ihrem Leben spielt.

Als Evan Bermel zwölf Jahre alt war, nutzte er die Mittagspause in seiner Highschool, um sich öffentlich und lautstark über die damalige Regierung in seiner Heimat – den USA – zu beschweren. „Mein ganzes Leben lang war Politik für mich eine Leidenschaft“, sagt er elf Jahre später und rund 9.500 Kilometer entfernt in Frankfurt (Oder). Gerade wurde er als einer von zwei Kandidaten von den Viadrina-Studierenden für „dielinke.sds“ ins Studierendenparlament gewählt; schon in seinem ersten Semester hatte er sich im Streit mit dem Verkehrsverbund für ein bezahlbares Semesterticket stark gemacht. „Die Urabstimmung dazu hat mich politisiert, da brennen mir die Füße, da kann ich nicht still bleiben“, schaut er zurück.

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Kennt die Schwierigkeiten von Studierenden, die neben dem Lernen pendeln und arbeiten, aus eigener Erfahrung: Evan Bermel. Foto: Heide Fest


Dabei musste der politische, linke Geist in ihm nicht erst geweckt werden. Schon so lange er denken kann, hat ihn politische Geschichte von der Antike bis zum Kalten Krieg interessiert. Hinzu kam eine kritische Haltung zu so manchen Eigenheiten der US-amerikanischen Gesellschaft: vom patriotischen Singen in der Schule über die als sozialistisch abgelehnte Krankenversicherung bis zum teuren Studium, für das man sich für viele Jahre verschuldet. „Die großen Unterschiede zwischen den USA und Deutschland, der Heimat meiner Mutter, haben mich schon immer geprägt“, sagt er. Und sie führen schließlich auch dazu, dass er nach dem Highschool-Abschluss ohne seine Familie nach Berlin zieht. „Mir war klar, dass ich studieren will und der Weg zum Studium war Deutschland. Das ist für mich die Nation von Gelegenheiten, wo ich mein Leben aufbauen und wirklich was erreichen kann“, erzählt er. Doch sein Abschluss wurde nicht als Hochschulzugangsberechtigung anerkannt und Evan Bermel musste drei Jahre lang auf dem Oberstufenzentrum sein Abitur machen. „Das war sehr schwierig für mich, vor allem als wir Goethe gelesen haben“, erinnert er sich. Hinzu kam die Pandemie, seine Abschlussprüfungen schrieb er mitten in der Corona-Zeit. Er habe durchgehalten, lautet sein knapper Kommentar auf die Frage, wie er das alles geschafft habe.

Auch mit dem bestandenen Abitur in der Tasche war es nicht leicht für den Deutsch-Amerikaner, einen Studienplatz zu bekommen, zu hoch sei oft der Numerus Clausus. An der Viadrina ist er schließlich – auf Empfehlung von Freunden aus der Linksjugend – fündig geworden; er schrieb sich im Studiengang „Politik und Recht“ ein. Im Rückblick für ihn genau die richtige Wahl, vereint das Studium doch zutiefst unterschiedliche Inhalte und Lernweisen. „Die Kombination ist gut; ich brauche nicht jeden Tag intellektuelle, politische Debatten und auch nicht jeden Tag Gesetzestexte in Schwarz-Weiß“, findet er. Zudem ermögliche das Studium einen juristischen Abschluss in vergleichsweise kurzer Zeit.

Zu den akademischen Herausforderungen kommen für Evan Bermel die alltäglichen. Sein Antrag auf Bafög wurde abgelehnt; er muss Geld verdienen und will gleichzeitig das Engagement in der Hochschulpolitik aufrechterhalten. „Ich kenne aus eigener tagtäglicher Erfahrung die schwierige finanzielle Situation von Studierenden, die neben dem Studium arbeiten“, betont er. Trotz der Mehrfachbelastung ist er viel auf dem Campus – auch während der Pandemiemonate, als der allergrößte Teil der Lehre online stattfand. Die verfolgte Evan Bermel oft im Cowriting-Space im Gräfin-Dönhoff-Gebäude – ein Ort, den er schon in der Orientierungswoche für sich entdeckt hatte. Er mag diesen unkonventionellen Lernraum; nicht zuletzt, weil die Straßenbahn in Richtung Bahnhof direkt davor abfährt. Einen Widerspruch zwischen dem Pendeln nach Berlin und seinem Engagement in der Hochschulpolitik erkennt er nicht. Evan interessiert sich für die Stadt in der er studiert, hat schon viel besichtigt, geht gern über die Grenze nach Słubice. Auch politisch hat er in Frankfurt (Oder), das von einem linken Oberbürgermeister regiert wird, Anknüpfungspunkte gefunden. Seine eigene berufliche Zukunft sieht er aber in Berlin. „Ich möchte Politiker werden; ich sehe mich im Abgeordnetenhaus von Berlin irgendwann. Also, Ambitionen habe ich schon“, sagt er und lächelt. Wenige Minuten später piept sein Handy und er schlüpft schnell in die Jacke, seinen Alarm hat er nach dem Fahrplan der Straßenbahn eingestellt. Er muss los, zum Bahnhof, nach Berlin.
(FA)

Dieser Text ist der vierte Teil der Serie „30 x Viadrina & ich“.
Die bereits erschienenen Beiträge können hier nachgelesen werden.
In den nächsten Beiträgen erzählen Viadrina-Mitarbeiter Heiko Wessely und Viadrina-Absolventin Milena Manns von ihren Erfahrungen. Die Texte erscheinen jeweils in der Rubrik „30 Jahre Viadrina“ im Viadrina-Logbuch.

Steckbrief

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Name:
Evan Bermel

An der Viadrina bin ich:
seit Oktober 2021

Was ich hier mache:
Ich studiere Politik und Recht.

Das macht die Viadrina für
mich aus:
das Pendeln und die Sprachenvielfalt

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