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Viadrina Institut für Europa-Studien (IFES)

Projekte

Das gegenwärtige Verständnis von „Europäisierung“ ist nach wie vor geprägt von teleologischen und linearen Vorstellungen, zunehmender Integration und Fortschritt. Allerdings sind und waren Momente intensiver europäischer Entwicklung stets von Ambivalenz und Widersprüchlichkeit gekennzeichnet. Das Forschungsprojekt „Ambivalenzen der Europäisierung“ verfolgt das Ziel, diese Ambivalenzen als Kern der Europäisierung zu verstehen und zu systematisieren.

Die Ausgangshypothese des Projekts lautet dabei, dass Moderne und Europa seit ihrer gemeinsamen Genese im 18. Jahrhundert eng miteinander verknüpfte Konzepte sind. Da die Ambivalenzen den notwendigen komplementären Gegenpart der Moderne als Ordnung darstellen, konstituieren sie ebenso den Kern der Europäisierung. In diesem Sinne waren es nicht friedliche Momente, sondern vielmehr Krisen, Konflikte, Widerstände und Unbestimmtheit, welche die historische Entwicklung Europas maßgeblich beeinflusst haben.

Tendenzen der Homogenisierung und Differenzierung, der Integration und Desintegration sowie der Synchronisierung/Beschleunigung und Entsynchronisierung/Verzögerung sind gleichzeitig präsent und bilden den Motor einer prinzipiell nichtlinearen Europäisierung. Ambivalenzen werden im Projekt in drei Dimensionen als empirische Phänomene analysiert: symbolische Bedeutungen, historische Vielschichtigkeit und institutionelle Praktiken stehen im Fokus eines umfassenden, interdisziplinären und nicht-teleologischen Verständnisses von Europäisierung.

Der Sammelband "Ambivalenzen der Europäisierung. Beiträge zur Neukonzeptionalisierung der Geschichte und Gegenwart Europas", der von Timm Beichelt, Clara Frysztacka, Claudia Weber und Susann Worschech herausgegeben wurde, erschien 2020 im Franz Steiner Verlag.

Projektbearbeiter: Timm BeicheltClara FrysztackaClaudia WeberSusann Worschech

Die ‚Peripherien-Gruppe‘ am IFES widmet sich Dynamiken und Beispielen von Peripherie- und Zentrum-Bildung im europäischen Kontext. Sie versteht Peripherien als ein Ende einer räumlich konnotierten sozialen Konstellation, die durch Austausch, Abhängigkeit und Differenz gekennzeichnet ist (Koch 2011). Die Hervorbringung solcher Konstellationen untersuchen die Gruppenmitglieder aus unterschiedlichen theoretischen und disziplinären Perspektiven an konkreten Konfigurationen in Ostmittel- und Südeuropa. Besonderes Augenmerk liegt auf der Konstruktion und Anfechtung peripherer Selbstverständnisse, von denen die Gruppe annimmt, dass sie die Konstellation entscheidend prägen und deren Bedeutung für den innereuropäischen Zusammenhang noch wenig erforscht ist. Beteiligt sind derzeit:

Clara Frysztacka mit Arbeiten zum Polen des 19. Jahrhunderts als Semi-Peripherie und zu kolonialen Phantasien in dieser Zeit.

• Anja Hennig mit Studien zur Anfechtung des normativen Zentrums liberaler Werte durch illiberale politische Akteure am Beispiel von Geschlechtergerechtigkeit.

• Amelie Kutter mit ihrem Marie-Curie-Projekt zur Rekonfiguration von Zentrum und Peripherie in der Europäischen Union, das die Konstruktion neuer Asymmetrien innerhalb der EU seit der Finanzkrise untersucht.

• Pawel Lewicki mit Arbeiten zur Distinktion unter Eurokraten aus alten und neuen EU-Mitgliedsländern.

• Jennifer Ramme mit Arbeiten zu feministischen Gegen-Diskursen im gegenwärtigen Polen und zur Selbst-Peripherialisierung in Narrativen über die polnische feministische Bewegung.

• Jutta Wimmler mit ihrem Projekt The Globalized Periphery: Atlantic Commerce, Socioeconomic and Cultural Change in Central Europe (1680-1850), indem die angenommen periphere Rolle Zentraleuropas im atlantischen Handel hinterfragt und die Geschichtsschreibung darüber untersucht wird.

Von Gruppenmitgliedern organisierte Veranstaltungen waren der internationale Workshop European peripheries: transdisciplinary perspectives, der am 30.11.-02.12.2017 im Rahmen von Amelie Kutters Projekt Reconfigurations of centre and periphery in the European Union stattfand und die Konferenz Globalized Periphery. New approaches to the Atlantic world, 1680-1850, die am 5.-7.07.2017 das Projekt The Globalized Periphery: Atlantic Commerce, Socioeconomic and Cultural Change in Central Europe (1680-1850) abschloss, das von Klaus Weber und Jutta Wimmler geleitet wurde. 

Sprecherin/Kontakt: Amelie Kutter, kutter[at]europa-uni.de

Einen inhaltlichen Schwerpunkt des IFES bildet die Ukraine.

Die Sommerschule Viadrinicum, ein Drittmittelprojekt zur Konfliktmediation an Grenzen sowie eine größere Zahl weiterer Aktivitäten bieten vielfältige Anknüpfungspunkte.

Das Narrativ „Russland und der Westen“ dient seit langem als wichtiger Topos der europäischen Geistesgeschichte. Anders als im 19. Jahrhundert, als der Gegenüberstellung häufig zivilisatorische Gegensätze zugrunde lagen, erscheint der Bruch heute vor allem in der politisch-institutionellen Sphäre manifest. Hier stehen sich Demokratie und Autokratie gegenüber. Andererseits existieren angesichts Transmigration, Kommunikations- und Wirtschaftsglobalisierung umfangreiche ökonomische und soziale Verflechtungen, die zu „weichen“ Grenzen zwischen den beiden Räumen führen. Grenzregionen werden zu Übergangszonen und damit auch zu Gegenden, in denen sich Konflikte und gegenläufige Interessen in besonderem Maße manifestieren. Ein wichtiges, aber bei weitem nicht das einzige Beispiel stellt die Ukraine seit ihrer Unabhängigkeit dar.

Seit 2014 unternehmen Studierende der Viadrina und Mitarbeiter des IFES zudem jährliche Exkursionen in die Ukraine. Jedes Jahr steht unter einem eigenen thematischen Fokus und wird von einem Blog, Viadrina goes Ukraine, begleitet.

Unter dem Titel „Social Disappearances in Europe. Exclusionary Dynamics between Eastern and Southern Europe” wurde 2017 unter der Leitung von Estela Schindel (EUV) eine Initiative für ein Forschungs- und Netzwerkprojekt am IFES gestartet.   

Das neue Projekt verfolgt das Ziel neue Formen der Exklusion in Europa zu erfassen, die jenseits traditioneller Formen von Ausgrenzung stehen und damit die traditionellen konzeptuellen Instrumente der Sozialwissenschaften herausfordern. Gegenstand der Untersuchung sind extreme Fälle von Existenzen, die von den Staaten unterregistriert und für die Mitte der Gesellschaft weitgehend unsichtbar bleiben. Konkret geht es zumeist um Fallstudien, die in Zusammenhang mit den neuen europäischen Mobilitäten stehen (z.B. bedingt durch das das Schengener Abkommen oder die EU-Osterweiterung). Von einer soziologischen und sozialanthropologischen Perspektive soll dabei explorativ untersucht werden, ob und inwieweit die Kategorie des sozialen Verschwindens neue Wege der Erforschung und Interpretation solcher Fälle sozialer Exklusion in Europa ermöglicht. Als paralleles Ziel und im Sinne eines langfristigeren Beitrags zur IFES Forschungsagenda besteht darüber hinaus die Absicht, süd- und ost- bzw. mitteleuropäische Forschung zu solchen Phänomenen empirisch und theoretisch in Dialog zu bringen. Damit sollen Wege für den wissenschaftlichen Austausch zwischen Sozialwissenschaftlern aus Mittel- bzw. Ost- und Südeuropa explizit gesucht und gestärkt werden.

Im Rahmen des vom Forum Transregionale Studien geförderten Explorativen Workshops „Mobility and Social Disappearance. An Exchange between Latin America & Eastern, Central and Southern Europe“ fand am 7. und 8. Februar 2019 ein erster Austausch mit Forscher*innen aus verschiedenen Disziplinen und Ländern statt.

2020 erschien der Band Social Disappearance. Explorations Between Latin America and Eastern Europe (Forum Transregionale Studien), herausgegeben von Estela Schindel und Gabriel Gatti, dessen Beiträge auf den Explorativen Workshop vom 7. und 8. Februar 2019 zurückgehen. Der Band ist als Open Access Publikation auf perspectivia.net, der Publikationsplattform der Max Weber Stiftung, verfügbar.

Projektbearbeiter: Estela Schindel, Pawel Lewicki

Projektpartner EUV: Timm Beichelt, Susann Worschech, Michal Buchowski

Kooperationspartner: Projekt Disappearances. A transnational perspective study of a category to manage, inhabit and analyze social catastrophe and loss, Universität des Baskenlandes, (Finanzierung durch des Spanischen Bildungsministeriums MINECO, CSO 2015-66318-P). Leiter: Prof. Gabriel Gatti

Forum Transregionale Studien

Projektförderung: Deutsch-Polnische Wissenschaftsstiftung
Laufzeit: November 2020-April 2021
Leitung und Kontakt: Dr. Anja Hennig, Institut für Europa-Studien der Europa-Universität Viadrina, ahennig@europa-uni.de
Projektpartner: 
Prof. Dr. Jörg Hackmann, Historische Institut der Universität Stettin, jorg.hackmann@usz.edu.pl
Prof. Dr. Krzysztof Ruchniewicz, Willy-Brandt-Zentrum für Deutschlandstudien der Universität Breslau, ruchniewicz@wbz.uni.wroc.pl

Die gesamte Projektbeschreibung steht unter dieser pdf für Sie zum Download bereit. 

1. INTERDISZIPLINÄR – TRANSNATIONAL – REGIONAL
Das transnationale Projekt verortet sich im Bereich der interdisziplinären Public History-Forschung. Unsere Ausgangshypothese lautet, dass sich heutige Geschichtsdeutungen als Positionierung für oder wider das liberaldemokratische Projekt lesen lassen. Auf Grundlage dieser Annahme wird analysiert, welche Rolle die lokale bzw. regionale Ebene im Sinne von Orten, Akteuren und Politiken im Widerstreit um liberaldemokratische Perspektiven spielt und wie sie sich zu nationalen und transnationalen historischen Narrativen verhält.

Mehr zum Projektinhalt finden Sie hier

2. WERKSTATTGESPRÄCHE UND ÖFFENTLICHE DISKUSSIONEN
Das Projekt ist explorativ und partizipativ angelegt. Es basiert auf drei thematisch fokussierten geschichtspolitischen Werkstattgesprächen, die (voraussichtlich) zwischen November 2020 und April 2021 in Frankfurt(Oder), Breslau und Stettin stattfinden. Sie bestehen aus jeweils einem geschlossenen und einem öffentlichen Veranstaltungsteil, bei dem Wissenschaft, Politik und (Erinnerungs)praxis über die leitenden Fragen zur Regionalität und Public History im Disput um/gegen liberaldemokratische Prinzipien ins Gespräch kommen, auch, um eine Forschungsagenda für ein größer angelegtes Projekt zu entwickeln.

Mehr zu den Werkstattgesprächen finden Sie hier.

Die Auftaktveranstaltung am 17. November 2020 in Frankfurt (Oder) wurde aufgezeichnet und ist auf dem IFES Kanal des Viadrina Medienportals verfügbar. 

3. NETZWERK FÜR FORSCHUNG UND LEHRE
Das Projekt versteht sich auch als Ausgangspunkt für ein deutsch-polnisches Forschungs- und Lehrnetzwerk, das sich angesichts der fundamental unterschiedlichen Kriegserfahrungen, Kriegserinnerungen und Erinnerungspolitiken in Polen und Deutschland für ähnliche Mechanismen und Tendenzen heutiger Geschichtsdeutungen interessiert und im Lichte des internationalen Diskurses betrachtet. Es zielt darauf, Studierende und Lehrende beider Länder mit ähnlichen Interessen zusammenzubringen und in der Lehre u.a. durch online-Formate zu kooperieren.

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